Aus der Reihe "Sellemòls" von Gunter Altenkirch – Mundart “bucheln”
Eine Reihe von Mundartbegriffen sind uns heute nicht mehr bekannt, weil wir die damit verbundenen Dinge oder Tätigkeiten nicht mehr kennen und dazu zählt auch das alte Wort „bucheln“.
Ursprünglich war „bucheln“ auf den Dörfern ein Tätigkeitswort für das Herstellen von einfachem Speiseöl durch die Menschen, die keinen Feldanbau besaßen – und das über viele Jahrhunderte. Im Herbst wurden im Wald Buchecker gesammelt und in der Küche ausgeschotet. Anschließend wurden die Kerne in mühevoller Arbeit mit einem Stampfer zu einem Brei gedrückt und dieser – ebenfalls mühevoll – durch ein Tuch gepresst. Der Ergebnis dieser schweren Arbeit war ein feines Speiseöl.
Das hier besprochene Wort nannten die ärmeren Dorfbewohner auch für eine andere Nutzung des Buchenbaumes. Besonders in den beiden Weltriegen und der jeweiligen Nachkriegszeit, in der es kaum ausreichend etwas zu essen gab, und schon gar nicht, wenn die Winterzeit sich dem Ende näherte und die Vorräte verbraucht waren. Im Mai bot die Buche eine Hilfe an. Noch aus eigener Erfahrung blieb nicht nur mir, sondern vielen alten Leuten seit den 1940er Jahren das Sammeln von jungen Buchenblättern in Erinnerung. Zugleich war es eine wichtige Kinderarbeit.
Die Familie ging in den Wald und suchte nach Buchen, deren Zweige bis in greifbare Bodennähe herunterhingen. Mit der linken Hand wurde die Spitze des Zweiges tiefer gezogen und mit der rechten Hand streifte man in Richtung des Baumes die frischen, hellgrünen Blätter ab. Die Erntearbeit war ziemlich mühelos und kurzweilig. Die jungen Buchenblätter waren ein hervorragendes Nahrungsmittel. Die Hausfrauen bereiteten daraus ein Gemüse, das einem Spinat ähnlich kam. Auch Suppen wurden mit diesen Buchenblättern ergänzt.
Mit dieser Arbeit, dem „Bucheln“, verbunden waren nach dem Krieg die großen Wünsche nach Frieden und Wiedergewinnung eines normalen Lebens. Wohl deshalb wollen wir uns an diese Arbeit und das Wort heute nicht mehr gerne erinnern.
Gunter Altenkirch
Bild zur Meldung: Bildunterzeile: Reife Bucheckern, Quelle: Wikimedia Commons – Fotograf: Gerhard Elsner